Foto: Faculty of Odontology, Malmö University
Kaum macht man es richtig, schon funktioniert es. Eine Binsenweisheit, die auch auf die Anwendung von Interdentalbürsten zutrifft. Dass Interdentalbürsten (IDB) das wirksamste Hilfsmittel für die gründliche Reinigung der Zahnzwischenräume sind, ist in den Praxen weitestgehend bekannt.1 Aber gilt das auch für ihre Anwendung? Der nachfolgende Artikel gibt nützliche Hinweise und Tipps zur „richtigen“ Auswahl und Anwendung von IDB – denn dabei kommt es oft auch auf Details an.
Tatsache ist: Die Auswahl an Interdentalbürsten ist groß, ihre (Größen-)Kennzeichnung manchmal verwirrend und nur selten markenübergreifend einheitlich. Zudem kann sich auch ihr Design in wichtigen Details erheblich unterscheiden. Trotzdem gibt es hilfreiche Hinweise, mit denen man Qualitätsprodukte leicht erkennen kann: z. B. am umfangreichen Größensortiment (ISO 0–8), großer Arbeitslänge (Verhältnis von Bürstenfeld- zu Drahtlänge), beschichtetem Edelstahldraht, abgerundeten Kanten und ergonomischen Griffvarianten. Sind die Farbcodierung und Bezeichnung innerhalb einer Marke einheitlich, erleichtert dies die Anwendung für Behandler und Patienten gleichermaßen. Sinnvolles Zubehör wie Schutzkappen, Griffverlängerungen und Travelboxen sind weitere Pluspunkte.
Zahnzwischenräume sind so individuell wie die Patienten selbst, darum kommt vor allem der richtigen Größenauswahl eine entscheidende Bedeutung zu. Ist die IDB zu klein, reinigt sie nicht optimal. Zu große Bürsten können dagegen zu Schäden an Zähnen und Zahnfleisch führen. Eine passende Größe erkennt man gut am leicht spürbaren Durchtrittswiderstand, der bei ca. 50 Gramm liegen und nicht zu unangenehm sein sollte. Ein Gefühl dafür bekommt man durch das Testen mit einer kleinen Waage und natürlich im Selbstversuch. Die Borsten müssen den gesamten Interdentalraum ausfüllen und sollen dabei auch etwas unter den Zahnfleischrand reichen. Das gelingt mit großen Bürstendurchmessern bei dünnem aber stabilem Drahtkern. Besonders bei implantologisch Versorgten und parodontal Erkrankten kommen oft mittlere bis größere IDB zum Einsatz. Viele Patienten benötigen zwei oder drei verschiedene Größen. Mehr sollten es im Idealfall allerdings nicht sein, um besonders Erstanwender nicht zu überfordern. Hilfreich sind eine Demonstration am Modell oder kurze Lehrvideos. In jedem Fall ist eine praktische Überprüfung der Auswahl immer erforderlich.
Abb. 1 und 2: Entscheidend für eine korrekte Zahnzwischenraumpflege ist neben der Technik die richtige Größenauswahl, um Schäden an Zähnen und Zahnfleisch zu vermeiden © Faculty of Odontology, Malmö University
Nur Übung macht den Meister
Nun kommt es darauf an, die Anwendung mit dem Patienten aktiv zu üben. Die Bürste wird etwas von koronal kommend vorsichtig zwischen Papillenspitze und angrenzenden Zähnen in den Interdentalraum eingeführt. Unter vorsichtigem lockerem Vorschub „sucht“ sich die IDB ihren Weg. Dann wird sie einige Male horizontal vor und zurück bewegt. Sie kann dabei für eine noch bessere Reinigung zusätzlich leicht nach mesial und distal ausgelenkt werden (sogenannte „X-Technik“). Häufig sind hinterher an den Borsten Plaque oder Sekret deutlich erkennbar, ein Beleg für die Reinigungswirkung. Beim Üben stellt sich heraus, ob Interdentalbürsten mit kurzem oder langem Griff für Patienten geeigneter sind – dabei stehen deren Geschicklichkeit und Vorlieben im Vordergrund. Soft-Varianten können bei bestimmten Indikationen wie z. B. Mundtrockenheit oder besonderer Empfindlichkeit eine gute Wahl sein. Lassen sich die Bürsten in einigen Approximalräumen nicht gut anwenden, können anatomische Besonderheiten oder ungünstig gestalteter Zahnersatz die Ursache sein. In den meisten Fällen können Zahnärzte dann optimalere Voraussetzungen schaffen. Manchmal kann auch Zahnseide das bessere Hilfsmittel sein, beispielsweise bei besonders engen und gesunden Interdentalräumen. Eine forcierte Anwendung ist meistens kontraindiziert. Anzeichen dafür können das Verbiegen der IDB oder die Traumatisierung der Gingiva sein.
Wie es nach dem ersten Training weitergeht
IDB sollen idealerweise einmal pro Tag angewendet werden – und zwar ohne Zahnpasta. Bewährt hat sich die abendliche Benutzung, am besten direkt vor dem Zähneputzen. Anfänglich, oder bei sporadischer Interdentalpflege, kann es dabei zu Blutungen am Zahnfleisch kommen. Dem Patienten sollte schon beim ersten Interdentalbürstentraining erklärt werden, dass dies eine Reaktion des entzündeten Zahnfleischs ist, die nach einigen Tagen regelmäßiger Anwendung abklingt und ausbleibt. Dies ist immer auch ein gut sichtbarer Erfolg, der zusätzlich motivierend wirkt. Wenig hilfreich ist es dagegen, wenn der Patient die IDB für die Ursache hält, denn nur selten ist eine falsche Anwendung der Auslöser. Auch um dies auszuschließen empfiehlt es sich immer, einen zeitnahen Recall-Termin (nach ca. zwei Wochen) zu vereinbaren – eine gute Gelegenheit zur Remotivation und für nötige Korrekturen an der Technik. Zudem sollte der Behandler erneut prüfen, ob die gewählten Größen noch passen. Nachlassende Schwellungen könnten dann unter Umständen größere IDB erfordern. Daran, wie Patienten mit den Bürstchen umgehen und vielleicht auch an Belagfreiheit oder nachlassendem Geruch, lässt sich die Compliance abschätzen. Besonders wichtig ist eine gute Mitarbeit für Implantatpatienten – sie ist sogar eine wesentliche Voraussetzung für einen dauerhaften Therapieerfolg.
Abb. 3: Ein umfangreiches Größensortiment, ein beschichteter Edelstahldraht und eine Farbcodierung innerhalb einer Marke sind u.a. Indizien für qualitative Interdentalbürsten. © TePe
Von Fans und Skeptikern – Erfolgsrezept gute Compliance
Für die „IDB-Skeptiker“ unter den Patienten sind als Einstieg in die Zahnzwischenraumreinigung Produkte der Kategorie Dental-Picks empfehlenswert. Diese sind für die Reinigung unterwegs und zwischendurch konzipiert. Studien und praktische Erfahrungen zeigen, dass diese mit ihren silikonbeschichteten Reinigungsflächen von Patienten als komfortabler empfunden werden als IDB.2 Sie erreichen nicht ganz die Effizienz von Interdentalbürsten, aber unter Umständen können damit zurückhaltende Patienten von den Vorteilen der Interdentalreinigung überzeugt werden. Obwohl Notwendigkeit und Wirksamkeit der Interdentalreinigung vielfach belegt sind3, verzichten viele Menschen noch immer darauf. Für Patienten und Praxis können unter untenstehender Kontakt-E-Mail-Adresse die neuen TePe-Patientenflyer und ein Praxisposter zur neuen Aufklärungskampagne „Mut zur Lücke“ mit prominenter Unterstützung durch Jürgen Vogel als Markenbotschafter kostenlos bestellt werden.
Autor: Dr. Ralf Seltmann
Die vollständige Literaturliste gibt es hier.
Der Fachbeitrag ist im Prophylaxe Journal 4/2017 erschienen.